Silberhütte

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Silberhütte, Pyrotechnik Silberhütte

Die Pyrotechnik Silberhütte mit Sitz in Harzgerode war ein Unternehmen mit Schwerpunkt Spreng- und Pyrotechnik, das über zwei Jahrhunderte hinweg Groß- und Kleinfeuerwerksprodukte, sowie Munition und Sprengstoffe hoher Qualität fertigte und weltweit verkaufte.

Silberhütte "Feuerteufel"-Warenzeichen

Ursprung und frühe Jahre

Der Ort Silberhütte im Harz (Anhalt) wurde im Jahr 1692 gegründet, nachdem im 13. Jahrhundert bei der Rodung des Harzwaldes Erze im Boden gefunden wurden. In der Folge entstand in der Region ein Zentrum für Bergbau und Verhüttung (Gewinnung und Nutzung von Metallen), was auch die Besiedelung beschleunigte. Heute ist Silberhütte ein Ortsteil der Stadt Harzgerode.

Im Jahr 1790 erbaute der Kaufmann Wilhelm von Gloß in dieser Gegend eine Mühle, die mit Genehmigung der Behörden in eine Produktionsstätte für Schwarzpulver (Pulvermühle) erweitert wurde. Das dort hergestellte Schwarzpulver wurde vornehmlich für Sprengarbeiten an die ortsansässigen Bergwerksbetreiber verkauft. Als damals einzig wirkungsvolles Sprengmittel war Schwarzpulver für den Bergbau unverzichtbar, so daß der Mühlenbetrieb bald ausgebaut werden mußte, um den steigenden Bedarf zu decken.

Beginn der Feuerwerksproduktion

Im Jahr 1855 wurde der Betrieb von der Familie Eisfeld übernommen, die schließlich 1893 mit der staatlich genehmigten Herstellung und Vertrieb von Feuerwerksartikeln unter dem Bildnis eines Feuerteufels als Schutzmarke begann. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte unter J. F. Eisfeld KG, Pulverfabrik im Selketal bei Harzgerode.

Bereits ein Jahr später, 1894, begann man vor dem Hintergrund einer guten Auftragslage mit dem erneuten Ausbau von Produktionskapazitäten und Personal, es wurden in der Folge auch viele Fachleute von anderen Firmen abgeworben und unter dem Mantel der Eisfeld KG zusammengefaßt.

Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 wurde der Betrieb ständig erweitert, neue Bereiche hinzugefügt und ein Zweigwerk in Güntersberge errichtet.

Erster Weltkrieg und die 1920er

Nach Kriegsbeginn erfolgte eine erneute Erweiterung des Artikelprogramms um militärische Pyrotechnik wie Leucht- und Signalmittel, was bis zum Kriegsende 1918 das Hauptbetätigungsfeld des Unternehmens bleiben sollte.

Nach dem Krieg dauerte es bis zum Anfang der 1920er Jahre, bis die Firma ihre alte Größe nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen hatte. Die sich kurz nach der Jahrhundertwende durch Neuerungen und Errungenschaften in Chemie und Metallurgie (z. B. industrielle Herstellung von Aluminium) bereits andeutende Neuzeit der Pyrotechnik führte in diesen in jeder Hinsicht bewegten Zeiten zu einer Professionalisierung der einstigen "schwarzen Kunst". Dank neuer Erkenntnisse konnten die Produkte nicht nur effizienter hergestellt werden, sondern es wurden auch viele neuartige Effekte und Herstellungsverfahren erschlossen, die heute noch zum Standard gehören.

Weltweit bekannt wurde J. F. Eisfeld mit dem Schienenraketenwagen, der im Jahr 1928 mit 36 starken Raketentreibsätzen von je 4 kg Gewicht bestückt wurde und während der ersten Testfahrt eine Endgeschwindigkeit von über 250 km/h erreichte. Der praktische Nutzen des Fahrzeugs war wegen der Unberechenbarkeit der Raketentreibsätze zwar gering, dennoch fand der Raketenwagen internationale Anerkennung.

Die Weltwirtschaftskrise 1929 machte solchen und ähnlichen Entwicklungen jedoch erst einmal den Garaus, selbst die wirtschaftlich starke Firma Eisfeld mußte Mitarbeiter entlassen und die Produktion zurückfahren.

Aufrüstung, Zweiter Weltkrieg und Ende der Eisfeld-Ära

1934, ein Jahr nach der Machtergreifung Hitlers, der eine Generalaufrüstung für seine Kriegspläne benötigte, stellten viele pyrotechnische Betriebe landesweit ihre Produktion von Kunstfeuerwerk auf militärische Pyrotechnik und Munition um. Durch großzügige finanzielle Unterstützung seitens verschiedener Ministerien erhielt J. F. Eisfeld in dieser Zeit einen erneuten wirtschaftlichen Schub, die Herstellung wurde insgesamt erweitert, viele neue Arbeitskräfte eingestellt und auch die Maschinen modernisiert, um den nach Kriegsausbruch 1939 gewaltigen Bedarf an Leucht- und Signalmitteln zu befriedigen. Zusammen mit dem 1927 gegründeten Industrieverbund Depyfag gehörte J. F. Eisfeld zu den größten und wichtigsten Herstellern der Branche.

Folgerichtig wurde der Produktionsstandort Silberhütte als kriegswichtig eingestuft, was sich nach dem Krieg als fatal herausstellen sollte; kurz nach Kriegsende 1945 wurde der in der sowjetischen Besatzungszone liegende Betrieb komplett demontiert und vorläufig geschlossen. Teile der früheren Eigner flohen nach Westen, und schon bald war klar, daß sie nicht nur nicht wiederkommen würden, sondern die Firma auch nicht mehr als Familienbetrieb würden führen können - die Ära Eisfeld ging zu Ende.

Nachkriegszeit und Neugründung der Pyrotechnik Silberhütte

Bis 1949 wurden auf dem Gelände der ehemaligen Eisfeld KG übergangsweise verschiedene Produkte des täglichen Gebrauchs gefertigt, darunter Seife, Schuhcreme und Holzspankörbe. Im Oktober gleichen Jahres erfolgte die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik durch eine von den sowjetischen Besatzern eingesetzte Kommission, zu der der spätere erste Ministerpräsident der DDR Otto Grotewohl gehörte. Eine der ersten Amtshandlung war die Umwandlung ehemals unabhängiger Unternehmen in volkseigene Betriebe (VEB), so auch geschehen mit der Eisfeld KG. Der Produktionsstandort wurde als Industriewerk Silberhütte ins Register eingetragen, ein Jahr später, 1950, wurde die Herstellung pyrotechnischer Produkte wieder aufgenommen.

Im Jahr 1953 wurde der Name der Firma in VEB Pyrotechnische Fabrik Silberhütte geändert und der altbekannte Feuerteufel wieder als Warenzeichen reaktiviert. Ebenso wiederaufgenommen wurde die Fertigung militärischer Pyrotechnik, hier vor allem Übungsmittel für die Nationale Volksarmee (NVA). Bis Ende der 1960er verdoppelte sich die Größe des Unternehmens nahezu, es wurden außerdem weitere externe Sprengstoff- und Pyrotechnik-Betriebe in Berlin-Buchholz, Freiberg-Langenrinne, Uftrungen (vormals Feuerwerksfabrik F. W. Apel) und Finowfurt in die VEB integriert.

Wende, Zerschlagung und Gegenwart

Nach dem Fall der Mauer und der deutsch-deutschen Wiedervereinigung in den Jahren 1989 bis 1990 wurde die Pyrotechnik Silberhütte noch einige Zeit lang als Gesamtunternehmen kommisarisch weitergeführt. 1990 feierten die Silberhütter ihr 200jähriges Firmenjubiläum, anläßlich dessen eine Reihe von Sonderauflagen von Groß- und Kleinfeuerwerksartikeln, sowie Medaillen und Bücher veröffentlicht wurden. Teile der Belegschaft dachten seinerzeit noch zaghaft an eine Weiterführung des Unternehmens in der alten Form, was sich jedoch als trügerische Hoffnung erweisen sollte; ein Jahr später, im Jahr 1991, wurde die Firma mit all ihren Standorten, Personal und Maschinen von der Treuhandanstalt (ein staatlich eingesetzter Abwickler für ehemalige VEB) privatisiert und die einzelnen Bereiche verkauft.

Dabei wurde das Werk Silberhütte an die Nico Pyrotechnik Hanns-Jürgen Diederichs GmbH & Co. KG und die Umarex Sportwaffen GmbH & Co. KG veräußert, das Werk Buchholz an die Comet GmbH, das Werk Freiberg an die Weco GmbH und das Werk Uftrungen and die Buck Werke GmbH & Co.

Bis auf die Standorte Freiberg und einige wenige Unterbereiche in Silberhütte ist die Produktion pyrotechnischer Gegenstände für den Consumerbereich in diesen Werken jedoch mittlerweile (2009) eingestellt worden. Die Nico Pyrotechnik Hanns-Jürgen Diederichs wurde von deren alten Kontraktor Rheinmetall reintegriert, heute wird am alten Standort Silberhütte vornehmlich militärische Pyrotechnik und Munition hergestellt.

Weblinks

Weiterführende Informationen

Bilder von DDR-/Silberhütte-Feuerwerkskörpern und dem Firmengelände (feuerwerk.net Album)

Quellenangaben

Historische Informationen über die Firma Eisfeld und die Entwicklung des Standorts Silberhütte wurden dem Buch Feuerzauber, S. 91-93 und 131-132, Kurt Viebranz Verlag, 1996, von Wolfgang Buchwald, entnommen.