Schwarzpulver

Version vom 30. Juni 2011, 20:13 Uhr von Pyro (Diskussion | Beiträge) (Bilder eingefügt, Text erweitert und umgestellt)

Schwarzpulver 
(Blackpowder)

Chemische und physikalische Eigenschaften

Historische chinesische Schwarzpulvermühle
Moderner Kollergang (Schwarzpulvermühle)
Kollergang
Feuchte Pulvermasse
Rüttelsieb nach Granulierem
Poliertes grobes Sprengpulver
Minderwertiges Schwarzpulver eines Knallkörpers

Schwarzpulver ist eine Mischung aus Salpeter (Kaliumnitrat), Schwefel und Holzkohle. Das Mischungsverhältnis variiert zwischen 60-85% Kaliumnitrat, 10-25% Kohle und 0-20% Schwefel, wobei sich je nach Verhältnis ein unterschiedliches Abbrandverhalten ergibt. Ein erhöhter Anteil an Kaliumnitrat führt zu einem heftigeren Abbrand, ein erhöhter Kohlenstoffanteil führt zu einem langsameren und gleichmäßigeren Abbrand, wie z.B. in Raketen-Treibsätzen erforderlich. Neben Gemischen aus allen drei Komponeten werden für bestimmte Zwecke auch 2-Komponentengemische aus Kaliumnitrat und Kohle mit einem Mischungsverhältnis von ca. 80:20 Gewichtsprozent eingesetzt.

Das Kaliumnitrat in der Mischung dient als Oxidationsmittel (Sauerstofflieferant), der Schwefel als Brennstoff und der Senkung der Zündtemperatur (Sensibilierung), die Kohle als Brennstoff. Die Zündtemperatur von Schwarzpulver liegt um 300-400°C, also um den Schmelzpunktes von Kaliumnitrat (334°C). Die maximale Abbrand- und Explosionsgeschwindigkeit wird unter Einschluss mit etwa 500 m/s erreicht.

Die Qualität der einzelnen Zutaten ist entscheidend für das Abbrandverhalten und damit die Treibkraft des Schwarzpulvers, dies gilt vor allem für die Holzkohle. Sie wird industriell hauptsächlich aus Buchenholz hergestellt. Für schneller und heftiger abbrennende Pulver dient aufgrund der Porosität und der damit verbundenen größeren Oberfläche Kohle aus Erlen-, Haselnuss- oder Lindenholz. Faulbaumkohle liefert die schnellsten Pulver. In südlichen Ländern Europas wird die Kohle aus Weinrebenholz hergestellt. Für andere Zwecke, z.B. Goldregenpulver für Sterne, wird auch Kohle aus anderen Holzarten verwendet. Jedoch muss darauf geachtet werden, dass die Qualität der Kohle möglichst gleich bleibt. Wichtig hierbei sind vor allem der Grad der Verkohlung des Holzes (für Schwarzpulver ist ein Verkohlungsgrad von 80% erforderlich, während Holzkohle in der Industrie und z.B. Grillkohle zu ca. 95% verkohlt ist) sowie der Aschegehalt.

Neben dem Mischungsverhältnis und der Qualität entscheidet das Mahlen und Vermischen der Bestandteile über die Güte des Pulvers. Je feiner die Bestandteile gemahlen und je inniger sie vermischt werden, umso heftiger brennt das Pulver ab.


Herstellung

Kommerzielles Schwarzpulver hoher Qualität (z.B. Schieß-, Spreng-, Feuerwerkspulver) wird in mehreren Arbeitsschritten hergestellt. Zuerst werden das Kaliumnitrat alleine sowie Holzkohle und Schwefel getrennt oder gemeinsam in Kugelmühlen extrem fein gemahlen. Nach genauem Abwiegen werden die Bestandteile anschließend leicht angefeuchtet und durch mehrere Stunden dauerndes Walzen und Pflügen in einem Kollergang innigst durchmengt. Mahlen und Durchmischen erfolgt manchmal auch in einem Arbeitsschritt gleichzeitig in Kugelmühlen, jedoch ist dieses Verfahren nicht so sicher und effektiv.

Die sehr feine, feuchte und durch die Reibung warme Masse wird anschließend unter hohem Druck zwischen Leder (als Trennschicht) im Stapel zu Platten presst und in Trockenräumen vollständig getrocknet. Nach Brechen und Granulieren dieser Platten werden die Körner nach Größen gesiebt und oft mit Graphit (zum Schutz vor Feuchtigkeit und Reibung) poliert. Die Politur geht auf englische Pulvermühlen zurück. Poliertes Pulver wurde angeblich in den afrikanischen Kolonien Englands bevorzugt gekauft, weil die Schwarzafrikaner einem Schießpulver mehr zutrauten, wenn es einen ähnlichen Glanz hatte wie ihre eigene Haut...

Einfache Schwarzpulver entstehen in kürzeren und nicht so aufwändigen Prozessen, z.B. für Knallkörper chinesischer Herstellung. Diese Pulver sind oft nicht so fein gemahlen und/oder durchmengt, zudem werden sie nicht oder weniger stark gepresst und nicht poliert. Sie besitzen deshalb eine geringere Dichte und sind leicht zu zerreiben. Man spricht bei diesen weichen, minderwertigen Varianten oft von faulem Schwarzpulver.


Abbrand und Verwendung

Die Abbrandgeschwindigkeit und damit die Brisanz wird entscheidend vom Körnungsgrad und der Dichte bestimmt. Vereinfacht gesagt: feinkörniges Schwarzpulver brennt rascher ab, als grob gekörntes. Tatsächlich ist es aber so, dass sich sehr feines Mehlpulver in Reinform relativ langsam umsetzt. Mit steigender Korngröße steigt die Abbrandgeschwindigkeit zunächst, um dann, mit weiter steigender Korngröße, zu sinken. Dieses eigentümliche Verhalten wird auf die sogenannten internen Feuerleitwege zurückgeführt: ist das Pulver gekörnt, befinden sich sehr viele Hohlräume darin, durch die sich bei einer Umsetzung die heißen Gase sehr schnell ausbreiten (ähnlich dem Verhalten in gedeckter Stoppine). Dabei setzen die Gase immer mehr Schwarzpulver in Brand und wie bei einer Kettenreaktion entstehen immer mehr heiße Gase und die Abbrandgeschwindigkeit wird sehr hoch. In sehr feinem Mehlpulver fehlen diese Feuerleitwege oder sie sind sehr klein. Damit verhält sich dieses Schwarzpulver fast wie ein gepresstes Pulver bzw. brennt schwer kalkulierbar ab.

Fest gepresst (z.B. in Hülsen als Verzögerer, Spoletta oder Raketentreiber) wird ein langsamerer und gleichmäßiger Abbrand erzielt. Als Richtwert kann man hier 1 cm/sec annehmen.

Die höchste Brisanz erreicht man, indem man die große Oberfläche eines feinen Pulvers mit den günstigen Feuerlaufwegen eines groben Korns verbindet. Der Trick dabei ist, feines Pulver auf ein Trägersubstrat aufzubringen. Diese Substrat kann aus natürlichem Material wie z.B. Reisspelzen oder auch aus Styroporkügelchen bestehen. Diese Mischung ist gut als Zerlegerladung geeignet.


Weiterhin kann Schwarzpulver mit einem Bindemittel (Dextrin, Gummi arabicum) zu einem dünnflüssigen Brei angerührt und auf Baumwollfäden oder Jutegewebe aufgetragen werden (Stoppine).

Schwarzpulver kann auch mit verschiedenen anderen Bestandteilen versehen werden, wie Microsterne oder Metallpulver, die z.B. in Fontänen oder um beim Abbrand eines Treibsatzes einen Schweif zu erzeugen.


Chemische Reaktion und Reaktionsprodukte

Für die Reaktion von Schwarzpulver bei der Verbrennung läßt sich keine einfache Reakionsgleichung angeben, da eine Vielzahl von Reaktionen nahezu gleichzeitig unter extremen Bedingungen ablaufen. Eine Annäherung kann durch folgende Reaktionsgleichung für ein Gemisch aus 75,7% Kaliumnitrat, 11,7% Kohlepulver, 9,7% Schwefel und 2,9% Feuchtigkeit angegeben werden:

74 KNO3 + 96 C + 30 S + 16 H2O →

35 N2 + 56 CO2 + 14 CO + 3 CH4 + 2 H2S + 4 H2 + 19 K2CO3 + 7 K2SO4 + 8 K2S2O3 + 2 K2S + 2 KSCN + (NH4)2CO3 + C + S

(Quelle: M. S. Russel, The Chemistry of fireworks, 2000)

Bei der Umsetzung von 1 kg Schwarzpulver der (für Schießpulver typischen) Zusammensetzung Salpeter:Holzkohle:Schwefel 75:15:10 bilden sich etwa 350 Liter Gase (Volumen bei 25°C, siehe Schwadenvolumen) und Rauch (feste Bestandteile). Diese erhebliche Volumenzunahme und der verglichen mit anderen Explosivstoffen langsame Abbrand ist ein Grund für die schiebende Wirkung von Schwarzpulverladungen.

(Quelle: Holleman-Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 100. Auflage, 1985)

Durch Versuche mit Zweistoffgemischen (Kaliumnitrat+Holzkohle bzw. Kaliumnitrat+Schwefel) kennt man einige Vorgänge, die beim Aufheizen des Schwarzpulvers ablaufen: Das vor der Entzündung des Schwarzpulvers schmelzende KNO3 wird von der porösen Holzkohle aufgesogen und setzt sich mit der Kohle unter anderem zu CO (Kohlenmonoxid) und NO (Stickstoffmonoxid) um; das ebenfalls entstehende Nitrit bildet bei der Reaktion mit Schwefel unter anderem N2O (Lachgas). Die so entstehenden Gase CO,NO und N2O bilden hierbei ein explosives Gemisch, das unter Ablauf der Reaktionen N2O + CO --> N2 + CO2 und NO + CO --> 1/2 N2 + CO2 eine Explosion auslösen kann.


Rechtliches

  • Der Erwerb von Schwarzpulver ist in Deutschland nur mit einem Erlaubnisschein nach §7 oder §27 gemäß Sprengstoffgesetz oder einem Böller- bzw. Vorderladerschein nach §32 der ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz und die Verwendung mit einem Befähigungsschein nach §20 oder §27 gemäß SprengG oder einer Umgangserlaubnis nach §27 SprengG zum Umgang mit Böllerpulver / Schwarzpulver im privaten Bereich möglich.
  • Die Herstellung von Schwarzpulver ist nach dem deutschen Recht Privatpersonen verboten. Ausnahmen bilden z.B. an Schulen und Hochschulen die Freimengen für Forschung und Lehre definiert im Sprengstoffgesetz §2 Absatz 1 sowie §5 Absatz 3.
  • In der Schweiz und Österreich kann jede Privatperson Schwarzpulver frei erwerben. Der Verkauf an Kinder ist teilweise beschränkt bis komplett verboten.


Geschichte

Schwarzpulver gehört wohl zu den bedeutendsten Erfindungen der Menschheit. Es war der erste bekannte Explosivstoff und obwohl es anfänglich hauptsächlich militärisch verwendet wurde und damit meist der Zerstörung diente, veränderte sein Einsatz, z.B. seit dem 19. Jahrhundert bei der Erschließung von Rohstoffen, die Industrie grundlegend. In der militärischen Pyrotechnik wurde es gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch rauchloses Nitrocellulose-Schießpulver verdrängt. In der zivilen Feuerwerkerei ist es auch heute noch unersetzlich und wird zu manigfaltigen Zwecken in den meisten Feuerwerkskörpern verwendet.

NIGER BERCHTHOLDUS

Schwarzpulver wurde höchstwahrscheinlich vor mehr als tausend Jahren durch Zufall im fernen Osten entdeckt - vermutlich in Indien früher als in China. Aus dieser Zeit existieren keine Dokumente, deshalb kommen auch Araber und Griechen/Byzantiner als Erfinder in Frage. Letzteren soll schon um 670 n.C. das "Griechisches Feuer" ("Greek Fire") bekannt gewesen sein - ein Gemisch aus Salpeter, Ölen und Schwefel, das ausschließlich für kriegerische Zwecke eingesetzt wurde und als Vorläufer des Schwarzpulvers gilt. (s.a. Sprengpulver)

Erstmals soll Marcus Graecus in seinem Buch "Liber ignium ad comburendos hostes" das Greek Fire und ein dem Schwarzpulver ähnliches Gemisch im 8. Jahrhundert erwähnt haben. Gesichert sind die Aufzeichnungen des englischen Mönches Roger Bacon "Opus Majus" (ca. 1267), in denen er ein Gemisch aus Salpeter, Holzkohle und Schwefel und dessen Verwendung für Knallkörper beschreibt. Die Legende um den Franziskaner-Mönch Berthold Schwarz aus Freiburg reicht ungefähr in das Jahr 1380 zurück: Constantin Anklitzen nahm beim Eintritt in das Kloster den Namen Berchthold an, den Beinamen Schwarz erhielt er aufgrund seines Interesses an Alchemie und Schwarzer Magie (er galt als "Nigromantikus"). Auch er soll zufällig das Schwarzpulver erfunden und anschließend mit Feuerwaffen experimentiert haben. Die Existenz von "Niger Berchtholdus" ist nicht zu beweisen, weil alle Aufzeichnungen des freiburgischen Klosters kurz vor der Reformation zerstört wurden. Sicher ist, dass Freiburg im 14. und 15. Jahrhundert ein Zentrum in der Entwicklung von Feuerwaffen und Ausbildung von Kanonieren war (Deutsches Feuerwerksbuch, 1420). Zuvor jedoch sollen schon unter König Alphonsus XI. von Spanien aus Mörsern verschossene Eisenkugeln mit explosivem Inhalt bei der Belagerung Castilliens durch die Mauren im Jahr 1331 (1348?) eingesetzt worden sein.

Bis etwa 1650 schwankten die Anteile der drei Komponenten deutlich. Dabei waren Holzkohle und Schwefel weit stärker vertreten, oft bis zu je einem Viertel oder gar einem Drittel der Gesamtmenge. Seit 1650 hat sich die auch heute noch gebräuchliche Standardzusammensetzung im Gewichtsverhältnis 75% Kaliumnitrat, 10% Schwefel, 15% Holzkohle etabliert.

Schwarzpulver wird in Europa heute nur noch von wenigen, darauf spezialisierten Fabriken hergestellt, z.B. in Polen, Frankreich sowie in der WANO Schwarzpulver GmbH (Kunigunde, 38704 Liebenburg). Diese Pulvermühlen liefern standartisierte Pulver von gleichbleibend hoher Qualität. Nur wenige Feuerwerksfabriken stellen heute noch ihr eigenes Pulver her. Insbesondere in Südeuropa werden noch Spezialpulver (z.B. als sehr sanfte Ausstoßladung für schwere Zylinderbomben) von den Feuerwerkern selbst erzeugt.

In China dürfen die Feuerwerksfabriken nur noch für Böller selbst fabriziertes Schwarzpulver verwenden. Für alle anderen Feuerwerkskörper, und ganz speziell für Ausstoßladungen darf nur noch Qualitätspulver aus wenigen, lizensierten Pulvermühlen verwendet werden.

Schwarzpulver war bis zur Erfindung von modernen Sprengstoffen wie C4 und ANFO das einzige Treib- und Sprengmittel für Artillerie- und Handfeuerwaffen. Bis heute wird es in großen Mengen als grobes Sprengpulver zur Gewinnung von großen Blöcken in Steinbrüchen und in extrem reiner Form in der militärischen Pyrotechnik vor allem zu Anzündzwecken verwendet. Ein moderner Ersatz für Schwarzpulver zur Verwendung in hochwertigen Raketentreibern ist Pyrodex.